v.l.n.r.: Dr. Johann Eicher, StMB; Dr. Stephanie Gillhuber, BIV, Stefan Janssen, BV MIRO; Dr. Bernhard Kling, BIV; Karsten Zech, Vorsitz FG Naturstein im BIV; Staale Hansen, ZeppelinCat; Guido Morber, Rödl & Partner

Natursteintag 2024 ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit

Um das Thema Nachhaltigkeit und deren vielfältige Facetten kommt auch die Natursteinbranche nicht herum. So drehten sich alle vier Vorträge trotz ganz unterschiedlicher Thematik letztendlich darum, wie Nachhaltigkeit messbar, bewertbar und darstellbar sein kann.

Nicht der günstigste, sondern der nachhaltigste Anbieter soll den Zuschlag bekommen.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der Fachgruppe Naturstein im BIV, Karsten Zech, eröffnet Dr. Johann Eicher, Baudirektor am Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr, den Reigen der Fachvorträge mit der guten Nachricht, dass die Investitionen in das bayerische Staatsstraßennetz 2024 einen Rekordwert von knapp 500 Mio. EUR erreichen wird. Auch der Bund greift tief in die (leeren) Taschen und verspricht weiterhin auf hohem Niveau zu investieren. Ein Wermutstropfen darf dabei nicht übersehen werden: durch die enormen Preissteigerungen der letzten Jahre wird sich das Bauvolumen wohl kaum erhöhen.

Neben den Anpassungen aller FGSV-Regelungen an die Ersatzbaustoffverordnung, sollen auch alle Asphaltregelwerke fundamental geändert werden und vermutlich ab 01.01.2025 in der neuen Fassung zur Anwendung kommen. Dass die vorgesehenen Baumaßnahmen auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit vergeben werden, darum bemüht sich das Ministerium als Auftraggeber seit geraumer Zeit verstärkt. So wurden in die Ausschreibungen bei zehn Pilotprojekten Nachhaltigkeitskriterien aufgenommen, deren Erfüllung neben dem Angebotspreis eine entscheidende Rolle spielen. „Es sind durch die Anwendung der neuen Vergabekriterien in mehreren Pilotprojekten schon einige Male Anbieter zum Zuge gekommen, die nicht die kostengünstigsten Angebote gemacht haben“, so Eicher in seinem Resümee. Zu ganz konkreten Minderungen von CO2-Emissionen und Energieverbrauch soll auch der Einsatz von temperaturabgesenkten Asphaltmischungen beitragen. Dabei werden Asphalte mit etwa 20 bis 30 K niedrigeren Temperaturen eingebaut. Kontrollmessungen haben allerdings gezeigt, dass ein besonders sorgfältiger Einbau von Nöten ist, um Hohlräume aufgrund von Verdichtungsmängeln zu vermeiden.

Die unendliche Geschichte: Auflösung des Normenstaus durch neue EU-Bauproduktenverordnung?

Stefan Janssen, zuständig für Anwendungstechnik und Normung beim Bundesverband MIRO und in dieser Position mit einer Vielzahl von Mandaten in nationalen und europäischen Normungsgremien ausgestattet, informierte die Anwesenden darüber, was mit der von der EU-Kommission angetriebenen Novellierung der Europäischen Bauproduktenverordnung auf die Produzenten von Gesteinskörnungen zukommt. Dass sich die Kommission über sogenannte CPR-Acquis-Gruppen stärker in die Normungsarbeit einmischen und die von den Wirtschaftsakteuren bestückten bisherigen europäischen Normungsgremien (CEN) an den Katzentisch verbannen will, lässt nichts Gutes – sprich praxisorientierte Regelungen – erwarten. So sollen auch in die bisher weitegehend technisch ausgerichteten Normenwerke ebenfalls Nachhaltigkeitskriterien als wesentliche Merkmale aufgenommen werden. Wie diese europäisch einheitlich zu messen, zu bewerten und zu kontrollieren sind, bleibt noch unklar. Sicher ist jedoch, dass weitere Prüfverfahren, externe Überwachungen und Dokumentationspflichten insbesondere die KMU-Unternehmen vor enorme Hürden stellen und die Baustoffe weiter verteuern werden. Begonnen werden soll zunächst ab 2025 mit produktspezifisch ermittelten Angaben zum CO2-Fußabdruck, um dann peu à peu weitere nach Norm definierte Umweltmerkmale aufzunehmen.

Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft

Staale Hansen, Direktor Cat Technology & Electrification der Zeppelin Baumaschinen GmbH, erläuterte den Weg seines Unternehmens in eine nachhaltige Zukunft, wie der gleichlautende Vortragstitel verriet. Hansen macht dieses Versprechen fest an den innovativen Antriebstechnologien seiner Transport- und Ladegeräte der Marke Caterpillar, die die derzeitigen Fahrzeuge in den Steinbrüchen der anwesenden Unternehmer ersetzen sollen. Es wird nicht das eine glückseligmachende – sprich emissionsfreie – Antriebssystem geben. Die Entwicklung wird auch zukünftig die Verwendung effizienter und kraftstoffflexibler Verbrennungsmotoren beinhalten, neben Hybrid- und Elektroantrieben und dem Einsatz von Brennstoffzellen. Dabei fällt neben der Antriebstechnologie auch der Optimierung von Produktionsabläufen eine zunehmend wichtige Rolle zu. Neben Fahrerschulungen sind die digitale Datenerhebung und Bewertung maschineller Abläufe zur Effizienzsteigerung unverzichtbar. Zukunftsmusik ist sicherlich noch der vollautonome Einsatz von Baumaschinen, die wie von Geisterhand bewegt alle Gewinnungs-, Lade- und Transportvorgänge im Steinbruch ohne menschliches Zutun erledigen.

Von klimaneutralen Fruchtgummis und nachhaltigem Paranussanbau in Südamerika

Nachhaltig zu sein, ist en vogue. Darum wundert es nicht, wenn so gut wie jedes Unternehmen aus allen denkbaren Branchen sich dieses Etikett auf die Fahnen, respektive die Verpackung, schreibt. Über die juristischen Fallstricke bei der unternehmerischen Selbst- und Produktdarstellung referierte Guido Morber von Rödl & Partner GmbH. Anhand von Beispielen aus der Lebensmittelindustrie differenzierte er zwischen „Green Claims“ als durchaus mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar und „Greenwashing“, was leicht in den Bereich des unlauteren Wettbewerbs führen kann. Da es auf diesem Gebiet bisher keine klare Rechtsmeinung gibt, kommen deutsche Gerichte bei der Behandlung von Klagen und Abmahnprozessen häufig zu konträren Urteilen. Vorsicht ist in jedem Fall geboten und jedes Unternehmen, dass sich den Claim „Klimaneutralität“ anheftet, sollte sich drei Fragen ehrlich beantworten:

  1. Braucht´s das überhaupt? Habe ich einen Nutzen durch eine solche Aussage?
  2. Produziere ich tatsächlich emissionsfrei oder kompensiere ich meinen THG-Ausstoß durch Erwerb von Zertifikaten o.ä.?
  3. Kann ich die Klimaneutralität meines Unternehmens glaubhaft, nachvollziehbar und für meine Kunden zugänglich nachweisen?

Ach ja, was die Klimaneutralität der besagten Fruchtgummis aus dem Hause eines bekannten Süßwarenherstellers anbelangt, so wird hierzu ein wegweisendes Urteil am 18. April 2024 erwartet. Es geht um nicht weniger, ob der Begriff „klimaneutral“ gleichzusetzen ist mit dem Begriff „emissionsfrei“. Ein Urteil gesprochen wurde in dem Fall von TotalEnergies, das die Bewerbung von „klimaneutralem“ Heizöl mit der Unterstützung von 400 einheimischen Familien im Amazonasgebiet rechtfertigte, die dort einen nachhaltigen Paranussanbau betrieben. In diesem Fall gewann die auf Abmahnverfahren jeglicher Art spezialisierte Deutsche Umwelthilfe vor dem OLG Düsseldorf ihre Klage wegen irreführender Werbung.